
275 Millionen Gewinn im Leichenhaus
Kurz W. Zimmermann schreibt in der Weltwoche: Die Verlage melden glänzende Gewinne. Die Politik will sie dennoch kräftig subventionieren.
Eine Zahl, wie man weiss, sagt mehr als tausend Worte. Die Zahl ist 275 Millionen Franken.
275 Millionen an operativem Gewinn haben die vier führenden Schweizer Verlage zusammen im Jahr 2020 eingefahren. Es ist der kumulierte Profit von TX Group, Ringier, CH Media und NZZ-Gruppe.
Nur zur Erinnerung: Wir reden vom sogenannten Corona-Katastrophenjahr 2020.
Bevor wir zu den Details der 275 Millionen kommen, streuen wir zwei Zitate aus den letzten Mediendebatten im Parlament ein. «Die wirtschaftliche Situation der Medien verschlechtert sich zunehmend», wusste etwa CVP-Nationalrat Martin Candinas. «Den Medienhäusern steht das Wasser bis zum Hals», wusste SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher.
Die Medienhäuser im Leichenhaus? Angesichts von 275 Millionen Franken Gewinn, allein bei den Big Four, ist das natürlich Unsinn.
Die Faktenlage ist eindeutig. Den Verlagen geht es angesichts der wirtschaftsfeindlichen Umstände glänzend. Das ärgert natürlich die Politiker, vor allem die linken Politiker. Sie wünschen sich eine siechende Verlagsbranche, die sie mit staatlichen Geldern erretten und dank der Errettung dann besser beaufsichtigen können.
Kommen wir zu den Details der 275 Millionen.
Klassenprimus ist CH Media mit ihren zwanzig Tageszeitungen und gleich vielen Radio- und TV-Kanälen. Im Corona-Jahr 2020 schwamm das Unternehmen nur so im Geld. Vierzig Millionen Franken wurden darum neu investiert, etwa für die Rechte an der Champions League, mit je dreissig Millionen baute man Schulden ab und stockte das Eigenkapital auf. Am Schluss blieb dennoch ein operativer Gewinn von 43 Millionen, deutlich mehr als vor der Pandemie.
Gut schlug sich auch die NZZ-Gruppe, die mit einem Gewinn von rund 25 Millionen Franken das Vorjahresergebnis egalisierte. Bemerkenswert daran ist, dass die Profite fast nahezu aus dem journalistischen Angebot stammen, weil die NZZ, dies im Gegensatz zu anderen Medienfirmen, keine digitalen Handelsgeschäfte betreibt.
Bei der TX Group, der früheren Tamedia, ist es umgekehrt. Hier rentierte alles, ausser das Segment des Journalismus. Bei den Blättern des Tages-Anzeiger-Verbunds und der 20-Minuten-Gruppe setzte es 2020 ein finanzielles Desaster ab. Zum Glück holten die kommerziellen Portale wie Homegate.ch, Jobs.ch und Ricardo.ch das Geld wieder herein, so dass am Schluss ein operativer Gewinn von gut 130 Millionen Franken heraussprang, 65 Millionen weniger als im Vorjahr.
Auch Ringier schlug sich gut. Bis im Sommer sahen die Prognosen zwar düster aus. In der zweiten Jahreshälfte zog dann der E-Commerce gewaltig an, weil Corona für Schub im Online-Handel sorgte. Ringier kommt dadurch auf einen operativen Gewinn von gegen 80 Millionen Franken, 35 Millionen weniger als im Vorjahr, aber doppelt so hoch wie erst erwartet.
Bei diesen guten Zahlen muss man allerdings einen Nebeneffekt einkalkulieren. Ausser Ringier und NZZ-Gruppe waren die Verlagshäuser über längere Zeit in Kurzarbeit. Ohne diesen Zuschuss wären die Gewinne geringer ausgefallen.
Dennoch: Das Bild der Branche ist erfreulich. Denn auch die mittelgrossen und kleineren Verlage von Tageszeitungen – von Südostschweiz bis Walliser Bote – stehen solide da. Kein Zeitungsverlag schrieb 2020 rote Zahlen.
Die privaten Medien haben, objektiv betrachtet, darum keine zusätzliche Staatshilfe nötig. Der Bundesrat und das Parlament sehen das anders. Sie haben während Corona die Subventionen für die Branche um 120 Millionen Franken angehoben. Insgesamt subventioniert der Staat über direkte Zuschüsse, verbilligte Postzustellung und Steuererleichterungen die privaten Medienhäuser nun bereits mit 480 Millionen Franken im Jahr.
Natürlich verteilt der Staat diesen Segen nicht ohne Gegenleistung. Die Politik sagt zwar nicht: Wer zahlt, befiehlt. Sie sagt es anders: Wer zahlt, erwartet Dank.
Die Dankbarkeit ist bereits allerorts sichtbar. Noch nie standen die Journalisten so geschlossen hinter der Landesregierung wie in den letzten zwölf Monaten. Das Tages-Anzeiger-Netz beispielsweise, die grösste Pressegruppe des Landes, wandelte sich zur unkritischen PR-Truppe des Bundesrats und verteidigt ihn bis heute reflexartig gegen alle Kritiker. Die anderen Verlage, mit Ausnahme der NZZ, agierten auch nicht viel unabhängiger.
Man kann es verstehen. Man beisst nicht die Hand, die einen füttert. Auch dann nicht, wenn man gar kein Futter braucht.