Medienpaket: Der Weg zur Zensur ist mit guten Vorsätzen gepflastert

Das Medienförderungsgesetz enthält eine ganze Liste von Voraussetzungen für Subventionen. Sie verzerren den Markt und eröffnen Zugriffe auf die redaktionelle Unabhängigkeit durch die Hintertür. Von Martin Breitensteinam, Nebelspalter

Von Dr. Regula Stämpfli:

«In Österreich weiss man rein zahlenmässig gut Bescheid, wie stark die Medien am Staatstropf hängen. In der Schweiz gibt es kaum Zahlen. Der Bund verweigert explizit, Auskunft darüber zu geben, in welcher Höhe die Beträge bei der geplanten Medienförderung für die einzelnen Verlage lägen. Doch dies spielt gar keine Rolle. Denn entscheidend ist, dass sich der schweizerische Staat schon jetzt mit Millionen Zuwendungen an private Medien beteiligt und das in Österreich «subtil gewobene Geflecht der wechselseitigen Begünstigung, ein Sumpf aus systemischer Korruption», wie es in einem «Falter»-Podcast heisst, noch toppt.

Lagerbildung in Medien verhindert Aufklärung

Anders als in Österreich findet dazu hierzulande keine heftige Mediendebatte statt – im Gegenteil. Die Lagerbildung in rechtspopulistische und staatstreue linke Medien und deren Akteure verhindert demokratiekritische Aufklärung diesbezüglich. Deshalb will ich hier nur die offiziellen Zahlen sprechen lassen: Statt jährlich 50 Millionen sollen die Medienunternehmen 178 Millionen Franken bekommen. 120 Millionen Franken zusätzlich gehen an die Frühzustellung durch Zeitungsverträgerinnen, weitere 50 Millionen gehen an die Post und 30 Millionen Franken sollen an Online-Bezahlmedien gehen.

Spätestens ab dem neuen Medienförderungsgesetz ist der Staat nicht mehr Gegenstand von Recherche und Information, sondern deren Grossfinancier. Benedict Neff hält in der NZZ vom 5. Oktober staubtrocken fest: «Die Medien würden stärker an den Staat gebunden.»

DDR: Zensur ohne Zensoren

In der DDR gab es das System der «Zensur ohne Zensoren». Dies bestand darin, dass alle Medien vom Staat finanziert wurden. Gleichzeitig wurden die Auslese und die Ausbildung der Journalistinnen und Journalisten vom Staat finanziert.

Die indirekten und direkten Zuwendungen des Schweizer Staates an ausgewählte Medien sind auch ohne Medienfördergesetz beträchtlich. So wird Keystone-SDA mit vier Millionen unterstützt: Im Bericht des Bundesrates heisst es dazu, «gravierende Marktentwicklungen» hätten dazu geführt. «Gravierende Marktentwicklungen» in einem marktwirtschaftlichen System klingen wie damals der Artikel §249 des StGB der DDR. Dort wurde mittels des Paragraphen der «Gefährdung der öffentlichen Ordnung» – eine öffentliche Ordnung, die theoretisch im Sozialismus immer durch Kritik neu etabliert werden sollte – jede Öffentlichkeit abgeschafft.

Mediengesetz gefährdet «innere Pressefreiheit»

«Marktentwicklungen» gehören zum Markt wie die Maus zu meiner Katze – erstaunlich, dass hier kein Staatsrechtler intervenierte. Es gibt aber nicht nur Keystone-SDA, sondern zusätzlich Swissinfo, dies noch neben Onlinedienst srf.ch. Swissinfo ist der internationale Dienst der SRG SSR, der «unabhängige Berichterstattung über die Schweiz» in zehn Sprachen weltweit verteilt und nach eigenen Angaben direkt in einer Leistungsvereinbarung mit dem Bundesrat organisiert ist und zu 50 Prozent aus den Gebührengeldern der SRG und zu 50 Prozent aus Bundesgeldern finanziert wird. Gäbe es eine saubere Medienkritik in der Schweiz, die unabhängig, wissenschaftlich und neutral operierte und nicht ständig in die politische Lagerbildung eingebunden wäre, tauchten sicherlich noch weitere, indirekte und direkte Beiträge von Steuergeldern an private Medien auf.

Sollte das Medienfördergesetz im Februar 2022 angenommen werden, stünde es zusätzlich um die schon jetzt gefährdete «innere Pressefreiheit» schlecht. Eine innere Pressefreiheit, die nun nicht nur durch den eigenen Verlag, sondern zusätzlich durch dessen Staatsfinanzierung bedrängt wird.

Filz, Umfragen-Sumpf, Medienlobbyisten, Beamte und Politik

Deshalb ist die Österreich-Affäre ein grosser Warn- und Weckruf gerade in die Schweiz. Es geht nicht lediglich um die «Korruptionsgewohnheiten» des kleinen nachbarlichen EU-Alpenlandes, sondern es geht um ein Mediensystem, das sich seit Jahren auch in der Schweiz durch Filz, Umfragen-Sumpf, die Nähe von altbekannten Medienlobbyisten, Staatsbeamten und Politikerinnen so entwickelt hat, dass nicht Information, Ermächtigung zur Partizipation, Wahrheits- und Wirklichkeitsverpflichtung der Medien im Vordergrund stehen, sondern hochvernetzte staatliche, werbeträchtige und journalistische Akteure untereinander Geld und Informationen austauschen.

Medienministerin erreichtet Medien-Subventionssystem 

Einer unabhängigen Beobachterin stellen sich deshalb folgende Fragen: Wie kann es sein, dass eine demokratisch gewählte Medienministerin stillschweigend das gesamte freie, demokratische und liberale Mediensystem der Schweiz auf den Kopf stellen kann? Wie kann es sein, dass anstatt Facebook et al. mittels «Medienfördergesetz» in die demokratischen Verfassungen einzubinden ein Medien-Subventionssystem in der Schweiz errichtet werden soll, das nichts weiter bringt als die Aufrechterhaltung eines analogen Verlags-Ständesystems? Wie kann es sein, dass ausgerechnet darüber nicht diskutiert, sondern allein die politische Lagerbildung in «FOX-News» rechts und «Staats-News» links beschworen wird?»

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