Rekord an Taschengeld - Ein Artikel von Kurt W. Zimmermann aus der Weltwoche

Die Medienhäuser schwimmen im Geld. Vor allem die Tages-Anzeiger-Gruppe ersäuft fast darin.

In der Schweizer Politik gibt es einen schönen sprachlichen Helvetismus. Das Wort heisst «Zwängerei».

«Zwängerei» meint, dass die Verlierer einer Abstimmung ihre Niederlage nicht akzeptieren und darum schon kurz darauf mit ihrem gescheiterten Anliegen erneut aufmarschieren.

Genau das erleben wir bei den Subventionen für Medienunternehmen. Mitte Februar schickten die Stimmbürger das Mediengesetz bachab, das in den nächsten sieben Jahren rund eine Milliarde an Steuergeldern in Zeitungen und Online-News stecken wollte.

Bereits hat nun der Nationalrat mit 102 zu 82 Stimmen den Bundesrat beauftragt, ein neues Modell für diese staatliche Medienfinanzierung vorzuschlagen. Vor allem die Roten und die Grünen waren dafür. Es ist ihre einzige Chance, mehr Einfluss auf die privaten Medien zu bekommen.

Auch die SP-Medienministerin Simonetta Sommaruga, Hauptverliererin beim Volksentscheid, machte sich wieder für staatliche Mediensubventionen stark. Das nennt man Zwängerei.

Linke und grüne Politiker, so lernen wir daraus, lesen offenbar keine Jahresberichte. Hätten sie die Zahlen allein der vier führenden Medienhäuser zur Kenntnis genommen, dann hätten sie schnell realisiert, wie lächerlich ihre Subventionitis ist. Die vier Branchengrössen TX Group, die frühere Tages-Anzeiger-Gruppe, die NZZ-Mediengruppe, CH Media und Ringier weisen für das vergangene Jahr 2021 zusammen einen Gewinn von 1,16 Milliarden Franken aus.

Und viele kleinere Verlage, vom Walliser Boten bis zu den Schaffhauser Nachrichten,hatten ebenfalls ein gutes bis sehr gutes Jahr.

Linke und grüne Politiker, so lernen wir daraus, lesen offenbar keine Jahresberichte.

Zu den Details der Big Four. Die NZZ-Gruppe weist einen operativen Gewinn von 30 Millionen aus. Bei CH Media waren es 52 Millionen. Ringier veröffentlicht seine Zahlen erst im Mai, aber man weiss schon, dass es der höchste operative Gewinn seit fünfzehn Jahren wird, nach meinen Informationen um die 125 Millionen Franken.
Im letzten August verkündeten die beiden Marktleader TX Group und Ringier einen spektakulären Coup. Sie fusionierten ihre hochprofitablen Online-Märkte und legten dazu ihre digitalen Plattformen wie Homegate, Immoscout, Autoscout, Ricardo, Tutti und Anibis zusammen. Die gemeinsame Firma nannten sie Swiss Marketplace Group.

Als Folge der Fusion explodierte der Firmenwert des neugegründeten Unternehmens. Die TX Group aktivierte diesen Wertzuwachs in ihrer Bilanz und kann daraus im Jahresabschluss einen Wolkenkratzergewinn von 778 Millionen verbuchen.

Es war dies eine eher aggressive Rechnungslegung. Der Grund dafür liegt im Geldhunger der drei Besitzerfamilien Coninx, Ellermann und Schulthess, die zusammen 70 Prozent der Aktien der TX Group halten. Sie zahlen sich nun aus dem Rekordgewinn während der kommenden drei Jahre jeweils Dutzende von Millionen an Sonderdividende aus, um ihren Lebensstandard etwas aufzubessern.

Bei Ringier hätte man dieselbe Aufwertung und den entsprechenden Wolkenkratzer-Gewinn ebenfalls bilanzieren können. Michael Ringier und seine Familienmitglieder verzichteten darauf. Sie sind in Finanzfragen konservativer. Die Ringiers lassen die neugewonnene Substanz lieber im Unternehmen, denn sie sind weniger heiss auf Taschengeld als ihre Verleger-Nachbarn auf der anderen Seite der Limmat.

Wir können dennoch eine theoretische Rechnung machen, die bilanztechnisch durchaus zulässig ist. Wenn Ringier die Wertsteigerung der Swiss Marketplace Group in den Jahresgewinn überführt hätte, dann hätte man dort einen Profit von rund 700 Millionen Franken gemacht.

Weil die Roten und die Grünen keine Jahresberichte lesen können, rechnen wir es ihnen vor. Allein die vier grossen Medienunternehmen der Schweiz haben im letzten Jahr de facto einen gemeinsamen Gewinn von rund 1,8 Milliarden Franken gemacht.

Und so etwas soll man in Zukunft subventionieren? Ernsthaft?