In der Schweizer Medienbranche hatten sie einen neuen Schwarm. Dem Schwarm flogen alle Herzen zu. Die umschwärmten Idole waren «die Kleinen».
Für «die Kleinen», sorgte sich zum Beispiel Grossverleger Peter Wanner von CH Media, «geht es ums Überleben». Darum muss man den Kleinen helfen.
«Die Kleinen», sorgte sich auch Grossverleger Pietro Supino von der TX Group, «sind wichtig für das Funktionieren der Schweiz.» Darum muss man die Kleinen pflegen.
Bei den «Kleinen» handelt es sich um die Tages- und Wochenzeitungen aus der helvetischen Provinz.
Dass die grossen Verlage sich im Abstimmungskampf um das neue Mediengesetz nun so rührend um die Kleinen kümmerten, waren für die Kleinen völlig neue Schalmeienklänge. Bisher waren sie stets das Freiwild der Grossen. Die führenden Medienkonzerne brachten die Kleinen seit je mitleidlos in Bedrängnis, um sie dann fressen zu können. Nach diesem Muster haben Wanners CH Media und Supinos TX Group in den letzten fünfzehn Jahren rund zwanzig Tageszeitungen geschluckt.
Doch nun waren «die Kleinen» das beste Argument für das milliardenschwere Mediengesetz, das jetzt zur Abstimmung kommt. Es rette die Kleinen, sagten die Grossen. CH Media und TX Group versuchten damit, die Abstimmung über das Mediengesetz zu einem Plebiszit über Artenschutz umzudeuten. Rettet die Mäuse, säuselten die Raubkatzen.
Paradox daran ist, dass das neue Mediengesetz das Gegenteil plant. Sollte es angenommen werden, wird es die Grossen noch stärker und die Kleinen noch verletzlicher machen.
Ein Ja zementiert die Dominanz der Grossverlage. Das Zeitungssterben würde eher beschleunigt.
Gehen wir für ein Beispiel aufs Land, zum Beispiel nach Frauenfeld. In Frauenfeld gibt es drei Zeitungen, die breite regionale Information liefern. Das ist zuerst die tägliche Thurgauer Zeitung aus dem Grossverlag von CH Media. Dann gibt es die Frauenfelder Woche, im Besitz eines Lokalverlegers, sowie die ebenfalls wöchentlichen Frauenfelder Nachrichten, herausgegeben von Christoph Blochers Swiss Regiomedia.
Doch nur die Thurgauer Zeitung aus dem CH-Media-Konzern bekäme mit dem neuen Mediengesetz staatliche Subventionen. Die zwei anderen bekommen nichts, weil sie Gratisblätter sind.
Oder gehen wir aufs Land ins Emmental. Hier gibt es zuerst einmal die Regionalausgabe der Berner Zeitung aus dem Grosskonzern TX Group. Dann gibt es den Anzeiger D’Region und die Wochen-Zeitung für das Emmental und Entlebuch, die beide von örtlichen Herausgebern betrieben werden. Alle drei liefern breite regionale Information.
Wiederum aber bekäme künftig nur die Berner Zeitung aus dem Grosskonzern TX Group staatliche Subventionen. Die lokalen Verleger, weil sie ihr Publikum unentgeltlich bedienen, bekommen nichts.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Beispiele, von Thun bis Toggenburg, wo die Grossverlage CH Media und TX Group künftig Millionen an staatlichen Subventionen beziehen, ihre lokalen Mitbewerber hingegen leer ausgehen.
Jeder, der die Mechanik der Medienbranche nur ein bisschen kennt, weiss natürlich, was nun bei einem Ja zum Mediengesetz passieren wird. Die Kleinen werden erst recht zum Freiwild.
Dank der sprudelnden Staatsgelder können dann die Grossverlage in den Regionen den Druck auf die lokalen Konkurrenten zusätzlich erhöhen. Die altbewährte Strategie der Grossen wird dabei sein, im Anzeigenmarkt Dumping-Preise zu offerieren und so die kleinen Regionalverlage auszubluten. Solche Attacken würden nun über Gelder aus dem Medientopf mitfinanziert.
Bleiben wir beim Beispiel Emmental. Verleger Tom Herrmann von der Wochen-Zeitung für das Emmental und Entlebuch war, wie viele Kleinverleger, dezidiert gegen das Mediengesetz. «Wir brauchen Chancengleichheit und keine Wettbewerbsverzerrung», sagt er. Sein Blatt hat er 1980 gegründet und über vierzig Jahre lang erfolgreich gegen die Berner Zeitung verteidigt, die inzwischen aus Zürich kommt.
Für Tom Herrmann und Kollegen wird es eng, wenn es ein Ja zum Mediengesetz gibt. Ein Ja wird die Dominanz der Grossverlage zementieren. Sie können nun, mit staatlichen Ressourcen im Rücken, die Medienlandschaft weiter bereinigen. Das Zeitungssterben würde eher beschleunigt.
Neu daran wäre: Es wäre nun ein Sterben mit staatlichem Segen.