
Schnapsidee Medienförderung
Jede Branche hat ihre Problemzonen und muss ohne staatliche Hilfsgelder Qualität abliefern.
Gastbeitrag von Tamara Wernli
Mit der geplanten Förderung der Schweizer Medien sollen Verlagsunternehmen mit bis zu 150 Millionen Franken pro Jahr mehr ausgestattet und neu auch Online-Medien gefördert werden. Die Fragen seien deshalb erlaubt: Womit demonstrieren Verlage heute eigentlich ihre Unentbehrlichkeit? Wann haben sie die Öffentlichkeit das letzte Mal durch bedeutende Enthüllungsgeschichten verblüfft?
Während der Corona-Krise, als sich die meisten Medien hingebungsvoll als unkritisches Regierungssprachrohr präsentierten, kann es nicht gewesen sein. Auch sonst sind Nachrichten häufig einfach Agenturmeldungen, die von den Journalisten übernommen und lesertauglich aufbereitet werden. Der Rest präsentiert sich als grosses Bouquet von Meinungen mit breitem Farbspektrum von Rot bis Grün; die Journalisten, ausser ein paar wenigen Querulanten, sind sich meist einig. Das Resultat auf Kultur- und Gesellschaftsseiten, salopp gesagt: 300 Artikel, warum Gendern wichtig ist, 500 Artikel über männliche Dominanz, tausend Artikel, warum Frauen gefördert werden müssen.
Die Schweizer Grossverleger, die laut Branchenkennern am meisten von der Staatshilfe profitieren würden, frohlocken natürlich. Vielleicht sollte man bedenken, warum sie sich überhaupt vor dem Subventionenbuffet drängen. In den goldenen Zeiten des Inserategeschäfts haben vor allem die grossen Medienhäuser nicht mehr gewusst, wohin mit dem Geld. Sie haben sich Paläste geleistet an bester Lage, gigantische Redaktionsbüros, hohe Löhne. In anderen Branchen hat man sich die Augen gerieben. Nun ist ihr altes Print-Geschäftsmodell passé, und die digitalen Angebote sind finanziell (noch) nicht einträglich.
Ein Problem, das zu lösen die Verleger dazu motivieren könnte, besseren oder mehr eigenen Journalismus zu betreiben (anstatt im Ausland Beiträge einzukaufen). Oder den Betrieb zu reorganisieren: Löhne wie früher und die teils immer noch hohe Anzahl Mitarbeiter sind möglicherweise nicht mehr realistisch. Statt mit zeitgemässen Veränderungen zukunftsfit und autonom zu bleiben, hängt die Überzeugung in den Chefbüros wie abgestandener Rauch: Wir verdienen nicht mehr so viel wie früher, jemand soll das bitte kompensieren.
Absurd scheint die staatliche Medienförderung auch, wenn man etwa bedenkt, wie viele Personen sich in einem Grossverlag um die Veröffentlichung eines Artikels bemühen: Der Journalist schreibt den Text, der Lektor korrigiert, was er schreibt, der Produzent kontrolliert, was er schreibt, der Fotograf schiesst das Bild, der Bildredaktor sucht es aus, der Layouter setzt es um, der Web-Administrator pflegt den Artikel in die Website ein, der Mitarbeiter «Social» postet das Werk in den sozialen Medien. Hinzu kommt noch der Ressortleiter, der seine Bedenken hat, Nachrichtenchef und Tagesleiter geben ihren Senf dazu, der Blattmacher furcht die Stirn, der Chefredaktorstellvertreter winkt alles durch. Das ist etwa so, als würde ein Maurer sagen: Ich brauche jemanden, der mir die Kelle hält, jemanden, der den Zement mischt, einen, der mir den Schweiss vom Gesicht wischt, und ich überlege dann, wo ich den Stein setze.
Ich arbeite seit über 22 Jahren als Selbständige im Mediengeschäft und weiss, man muss sich ständig neu erfinden, riskieren, sich der Zeit angepasste Konzepte ausdenken und dazulernen. Meine Youtube-Videos scripte, filme und cutte ich selbst, ebenso die Parodien, ich kreiere auch die Thumbnails. Damit will ich nicht angeben, viele Youtuber arbeiten so. Was ich sagen will: Die Behäbigkeit der Grossverlage ist unter anderem ein Grund für das rasche Wachstum der alternativen Medienplattformen. Und da regelt der Markt knallhart: Wer beim Zuschauer gut ankommt, wird mit Abonnenten, Werbedeals und Beiträgen privater Gönner belohnt. Für die anderen ist es halt finanziell nicht einträglich.
Nun kann man in Zeiten von Fake News auf den Qualitätsjournalismus verweisen. Ja, er ist für eine Demokratie extrem wichtig. Nur ist es nicht so, als würde er stets funktionieren; Artikel in Qualitätszeitungen sind teils voller Fehler, Journalisten geben Texte ab, die grammatikalisch von Erstklässlern stammen könnten und bei denen man sich angesichts ihrer Berufswahl mehr als wundert – wobei, gut, Grammatik seit dem Gendern ja keine grosse Rolle mehr spielt –, und auch die grösste Dokumentations- und Rechercheabteilung der Welt hatte die erfundenen Inhalte von Claas Relotius nicht bemerkt.
Viele Menschen besitzen ein Zeitungsabo, bezahlen also dreifach: das Abo ihrer Wahl, die SRF-Gebühren und die indirekte Medienförderung, die es schon lange gibt. Die Zuschüsse weiter auszubauen, ist darum wirklich ein schlechter Witz.
Aus liberaler Sicht ist es einfach: Unabhängige Medien lassen sich nicht vom Staat subventionieren. Mehr Staatshilfe gewährleistet keine Qualität, aber sie verringert die Glaubwürdigkeit. Wer Lust hat, seinen Lieblingsgrossverleger zu unterstützen, aus Angst, sonst seine Zeitung zu verlieren, kann ihn ja aus eigener Tasche sponsern oder ein Abo abschliessen. Den Rest von uns möge man bitte mit solchen Flausen verschonen
Tamara Wernli ist eine Schweizer Moderatorin, Kolumnistin, Autorin und Webvideoproduzentin