
Schwindeleien einer Bundesrätin
Medienministerin Sommaruga erzählt zur Lage der Medien einen ziemlichen Mist.
Es war ein gewaltiges Massensterben. «In wenigen Jahren», so bilanzierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga letzte Woche, «sind über 70 Zeitungen verschwunden.»
«Das ist beunruhigend», alarmierte die Medienministerin, «so gibt es Informationsverlust in gewissen Regionen der Schweiz.»
Beunruhigend ist allerdings eher, welchen Schmarren Medienministerin Sommaruga über die Schweizer Medien zum Besten gab. Ihre Zahl von über 70 verschwundenen Zeitungen, «in wenigen Jahren», ist pure Fake News.
Betrachten wir Sommarugas «wenige Jahre» zeitlich grosszügig und gehen bis ins Jahr 2010 zurück. In den letzten zwölf Jahren sind genau drei Tageszeitungen verschwunden. Es waren dies das Boulevardblatt Le Matin von Tamedia, das Kirchenblatt Giornale del Popolo des Bistums Lugano und die Gratiszeitung Blick am Abend von Ringier.
Sonst verschwand keine Tageszeitung.
Zur Entlastung von Sommaruga könnten wir mildernd anfügen, dass in Neuenburg die Redaktionen von L’Impartial und L’Express fusionierten. Dasselbe geschah bei den Berner Blättern Bund und Berner Zeitung. Rechnen wir das generös Sommarugas Leichen zu.
Seit 2010 sind zudem die vier Sonntagszeitungen Schweiz am Sonntag, Ostschweiz am Sonntag, Zentralschweiz am Sonntag und Basler Zeitung am Sonntag hastig gegründet und wegen Misserfolgs schnell wieder eingestellt worden. Aber das waren sowieso keine eigenständigen Titel, sondern bloss siebte Ausgaben ihrer Tageszeitungen aus Aarau, St. Gallen, Luzern und Basel, die es weiterhin gibt.
Fassen wir zusammen. Seit 2010 sind in der Schweiz, auch bei kritischer Betrachtung, keine zehn Zeitungen verschwunden. Sommaruga aber redet von über 70 Blättern, die «in wenigen Jahren» eingegangen seien.
Über 70 verschwundene Zeitungen «in wenigen Jahren» – diese Zahl ist pure Fake News.
Warum erzählt die Bundesrätin einen solchen Schmarren?
Einfache Frage, einfache Antwort. Sommaruga steht mit dem Rücken zur Wand. Im Februar wird über ihr neues Mediengesetz abgestimmt. Es will Zeitungsverlage und Online-Portale jährlich mit über 150 Millionen Franken subventionieren. Die Vorlage, so zeigen alle Indizien, wird scheitern, weil nur die Linke staatlich finanzierten Journalismus will.
Letzte Woche eröffnete Sommaruga mit viel Tamtam den Abstimmungskampf um ihr taumelndes Mediengesetz. Sie präsentierte dazu das Panik-Szenario der über 70 Zeitungs-Todesfälle, das hinten und vorne nicht stimmt.
Zugleich warnte sie vor einem Medienproletariat in manchen Gebieten, wo mangels breiter Information die Demokratie im Niedergang versinke. Sommarugas Appell: «Keine Region darf abgehängt werden.»
Nun stimmt das Bild, das Sommaruga von publizistisch unterversorgten Regionen zeichnet, erneut hinten und vorne nicht.
Nehmen wir zum Beispiel Basel, im Jahr 1977 die erste Stadt mit einem Zeitungsmonopol und dadurch bis heute das Paradebeispiel einer dürren Medienwüste.
In Basel gibt es heute drei Tageszeitungen, die Basler Zeitung, BZ Basel und 20 Minuten Basel. Es gibt den TV-Sender Telebasel. Es gibt mit Radio Basilisk, Energy Basel und Radio X drei Radiostationen. Es gibt das «Regionaljournal Basel» von SRF. Es gibt etliche Lokalblätter wie die Kleinbasler Zeitung. Es gibt die drei einheimischen Online-Portale Online Reports, Bajour und Prime News.
Es braucht viel Fantasie, einen solch florierenden News-Garten als staubige Sahara zu betrachten und zu deren Begrünung Steuergelder auszugiessen. Auch andere Regionen mit sogenannten Monopolen, von St. Gallen über Luzern bis Bern, wie auch ländliche Gebiete, von Freiburg über Oberaargau bis Toggenburg, haben eine bunte Medienlandschaft vorzuweisen.
Ich habe bei Sommaruga nachgefragt, wie sie auf ihre über 70 Zeitungsleichen aus letzter Zeit komme. Die Antwort war windig. Auf einmal hiess es nun, die Todeszahl beziehe sich auf die Periode «seit 2003». Aus den «wenigen Jahren» waren – hübsche Ausrede – nun auf einmal fast zwei Jahrzehnte geworden.
Egal. Selbst seit 2003 sind keine 70 Zeitungen verschwunden. Auf diese Zahl kommt man nur dann, wenn man jedes Käseblättchen mitrechnet, das wegen Erfolglosigkeit eingegangen ist. Das reicht dann von der Wülflinger Zytig bis zum Anzeiger am Rhein. Solche Kleinkunst aber war noch nie demokratierelevant.
Unsere Prognose denn: Frau Bundesrätin Sommaruga, mit solchen Schwindeleien werden Sie Ihren Abstimmungskampf verlieren.