Verleger Wanner und Toni Brunner kreuzen die Klingen
Das Gespräch zwischen CH-Media-Verleger Peter Wanner (über 80 Medientitel, u.a. St. Galler- und Toggenburger Tagblatt, Appenzeller-, Wiler-, Thurgauer-, Urner-, Zuger- Luzerner-, Aargauer-, Obwalder-, Nidwalnder- Thurgauer Zeitung, Tele M1, Radio24, Radio Argovia, Radio Pilatus, FM1, Pilatus Today und viele mehr, fast 2000 Angestellte und 400 Millionen Jahresumsatz) fand in Toni Brunners Gastwirtschaft Haus zur Freiheit ob Ebnat Kappel statt. Toni Brunner nennt das neue Mediengesetz eine «Missgeburt» und ein «Krüppelgesetz». Und er sei gegen dieses, gerade weil er Bauer sei.
Geleitet wurde das Gespräche von Andreas Valda, Redaktionsleiter «Unternehmen und Politik» bei der zum Ringier-Konzern gehörenden Handelszeitung.
Die folgende Niederschrift des Gesprächs ist gekürzt. In ganzer Länge kann es unter dem am Ende dieses Berichts aufgeführten Link nachgelesen werden.
Andreas Valda: Herr Brunner, wir sind im «Haus der Freiheit» ob Ebnat-Kappel. Welche Zeitung lesen Sie?
Toni Brunner: Die Toggenburger Zeitungen gibt es bis auf eine Ausnahme alle nicht mehr.
Warum nicht?
Brunner: Das waren «Chäsblättli» und wurden von den grossen Verlagen geschluckt.
Wer übernahm sie?
Brunner: Sie gehören heute zu einem grossen Medienkonzern im Aargau (lacht, Peter Wanner, Präsident des angesprochenen Verlagshauses lacht ebenfalls)
Herr Wanner, haben Sie die Presse im Toggenburg geschluckt?
Peter Wanner: Das war vor meiner Zeit, als das «St. Galler Tagblatt» das «Toggenburger Tagblatt» übernahm. Vor drei Jahren kam es zur Fusion der NZZ-Regionalzeitungen mit den AZ Medien. Daraus entstand das Unternehmen CH Media, wo ich Präsident bin.

Herr Brunner, Sie bekämpfen die staatliche Medienförderung. Erhalten Sie als Landwirt Bundesubventionen?
Brunner: Genau deshalb bin ich gegen das neue Mediengesetz – weil ich Bauer bin. Denn, wer Subventionen bezieht, ist dem Regulierungswahn des Staates ausgeliefert.
Sie züchten Eringer Kampfkühe. Wie gängelt der Staat Sie konkret damit?
Brunner: Nicht in Bezug auf meine Zucht. Aber der Staat nimmt sich das Recht, den Bauern vorzuschreiben, wie sie die Landwirtschaft zu betreiben haben. Er wird reguliert und kontrolliert. Ich muss mir gefallen lassen, dass Kontrolleure ohne Voranmeldung meinen Stall betreten. Und jetzt soll eine weitere Branche an den Staatstropf genommen werden: die Medien.
Wanner: Der Staat kontrolliert, was du machst und wie Du es machst. Aber er kontrolliert nicht Deine Meinung. Du kannst ein linker oder ein rechter Bauer sein. Du kannst ein Impfgegner oder ein Massnahmenbefürworter sein. Wohl schreibt er vor, wie man die Kühe behandeln soll, aber die Weltanschauung schreibt er nicht vor.

Brunner: Daran zweifle ich. Heute lernen angehende Landwirte zuerst die Direktionszahlungsformulare auszufüllen, bevor man Sie über die Markgesetze unterrichtet. … Was das Schlimmste an diesen Medienpaket ist: Wir stimmen darüber ab, obwohl nicht klar ist, wie die Verwaltung die subventionierten Redaktionen reguliert. Die Ausführungsbestimmungen fehlen. … Und sobald man eine Branche ans Sautrögli des Staates nimmt, kommt sie nicht mehr weg davon.
Herr Wanner, werden die Medien ans Sautrögli des Budnes geführt?
Wanner: Gut finde ich, dass Toni Brunner die Agrarsubventionen in Frage stellt. So etwas hört man selten von einem SVPler. Aber Nein, die Medien werden nicht ans Sautrögli geführt. Wir reden von einem Medienpaket, das 150 Millionen Franken beträgt – ein Klaks im Vergleich zu den Landwirtschaftssubventionen.
Sie wollen mehr Geld als früher.
Wanner: Dass wir Medien höhere Subventionen verlangen als bisher, hat ähnliche Gründe wie in der Agrarwirtschaft: Die ausländische Konkurrenz ruiniert die inländischen Preise. Das konkurrenzlos günstige Werbeangebot von Facebook und Google im Schweizer Internet führt dazu, dass diese zwei US-Konzerne den Grossteil des Werbemarktes absaugen. Diese Situation entstand in den letzten 15 Jahren. So fliessen heute an Google und Facebook jährlich 2 Milliarden. Wir Schweizer Medienhäuser mussten uns gewaltig zur Decke strecken. Dieses zusätzliche Geld vom Staat hilft uns, das Angebot zu halten und Neues zu entwickeln.
Brunner: Tatsache ist: Die Schweizer Verleger haben den Ausbau des Onlinebereichs verschlafen. Und offenbar hat auch der Bund seine Hausaufgaben nicht gemacht: nämlich Google und Facebook ebenfalls in die Pflicht zu nehmen. Denn so müssten die Verlage nicht an den Staatstropf.
Wanner: Sie sprechen das Leistungsschutzrecht an, ein wichtiger Punkt. Die Tech-Giganten nutzen Zeitungs- und Onlineinhalte der Verlage. Dafür müssen sie Nutzungsgeld bezahlen. Die EU hat es durchgezogen und wird die Tech-Giganten zur Kasse beten. Das Geld für Inhalte fliesst den Verlagen zu. Deutschland hat ein Gesetz gemacht, das dieses Recht regelt. In der Schweiz warten wir noch darauf.

Mit dem neuen Mediengesetz sollen erstmals Onlineredaktionen direkt finanziell unterstützt werden.
Wanner: Das Problem sind die amerikanischen Tech-Giganten. Das sind die wahren Game-Changer. Ich teile im Grundsatz die Kritik Brunners, dass Subventionen problematisch sind. Deshalb bin ich ein Anhänger der indirekten Presseförderung, denn sie erfolgt wettbewerbsneutral und die inhaltliche Unabhängigkeit wird nicht tangiert. 80 bis 90 Prozent unserer Zeitungen werden vor halb Sieben den Abonnenten zugestellt. Sie wollen die Zeitung zum Frühstück lesen und nicht erst am Mittag mit der Post erhalten. So finde ich es fair, dass diese Zustellung neu unterstützt wird. Es geht um 40 Millionen Franken für die Verlage.
Brunner: Die indirekte Unterstützung via Posttaxenverbilligung kennen wir. Doch mir gefällt nicht, dass jetzt auch die grossen, finanzkräftigen Verlage mehr Geld erhalten sollen. Bisher kamen nur die Kleinen in den Genuss von Vergünstigungen bis zu maximal 40’000 Exemplaren. Diese Hilfe war bewusst nur für sie da. Diese Limite soll mit dem Medienpaket fallen. Neu sollen auch Grosse wie Tamedia, Ringier und Wanners CH-Media diese Förderung erhalten – obwohl sie jährlich satte Gewinne erzielen. Wer Nein zum neuen Medienpaket sagt, behält also das bisherige, bewährte System der indirekten Presseförderung für die Kleinen bei.
Wanner: Falsch! Das Teure ist die Frühzustellung, denn die Verträger müssen in der Nacht die Zeitung austragen. Toni Brunner, wollen Sie, dass die Zeitungen erst am Mittag ankommen?

Brunner: Das ist bei mir jeden Tag so! Aber, die grossen Verlage sind Schlaumeier. Im Lobbying in Bern erreichten sie, dass neu auch die Früh- und die Sonntagszustellung mit 40 Millionen subventioniert werden…. Ringier, und mit ihm der «Blick», wird neu Staatssubventionen erhalten. Für den «Sonntagsblick» über die Sonntagszustellung und für den «Blick» über die Frühzustellung. Das Beispiel zeigt: das neue Medienpaket kommt vor allem den Medienmillionären zugute. Die Kleinen haben die Förderung schon heute.

Wanner: Die Kleinen möchten aber auch die Frühzustellung. Ich mache es an CH-Media transparent. Bisher erhielten wir ungefähr 1.5 Millionen Franken für die Postzustellung (am Mittag). Jetzt werden wir für die Frühzustellung ungefähr 10 Millionen Franken erhalten. Einen Teil davon geben wir sicher den Abonnenten weiter.
Senken Sie nach einem Ja an der Urne die Abopreise?
Wanner: Nein, aber wir können künftig auf grosse Aufschläge verzichten, wie wir es in der Vergangenheit taten. Das Drama ist: Mit jedem Abo-Preisaufschlag verliert man Kunden. … Wenn die Auflagen weiter zurückgehen und die Werbeerträge sinken, drohen Sparrunden. Wenn das Medienpaket nicht durchkommt, sind diese so sicher wie das Amen in der Kirche. Dann erodieren die Redaktionsbudgets und die journalistische Qualität leidet.
Herr Brunner, warum ist es für Sie abwegig, für den Erhalt der Meinungsvielfalt Geld vom Staat einzusetzen? Bauern sind Kulturlandpfleger. Ohne Subvention verganden Wiesen und Felder und am Ende gibt es noch einige, wenige Grossbauern wie in den USA – ähnliches geschieht bei den Medien.
Wanner: Ich bin tatsächlich ein Medienlandschaftspfleger.